Keine nachhaltige Entwicklung ohne Einhaltung der Menschenrechte

Bern, 17.06.2014 - Rede von Bundesrätin Simonetta Sommaruga an der Feier zum 50 jährigen Bestehen der UNCTAD in Genf. Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren

Vor 50 Jahren beklagte der erste Generalsekretär der UNCTAD, dass die Entwicklungsländer zu wenig vom internationalen Handel profitierten und die Gewinne fast ausschliesslich den Industrieländern zu Gute kamen. Sein Rezept gegen diesen Trade Gap war: Trade not Aid.

Trade not Aid and Aid for Trade

Das Ziel war, die Entwicklungsländer aus ihrer Abhängigkeit von der Hilfe der industrialisier-ten Länder möglichst zu befreien. Schon damals war klar, dass es möglich sein muss, dieses Ziel zu erreichen, denn:

Viele Entwicklungsländer sind den meisten Industriestaaten an Rohstoffen und an biologischer Vielfalt weit überlegen.

Später wurde der Slogan des Trade not Aid durch die Aid for Trade-Initiative abgelöst. Das war eine Nuancierung von Trade not Aid - aber keine grundlegend neue Ausrichtung.

Unübersehbare Fortschritte ...

Die Ziele blieben dieselben:

  • Entwicklungsländer sollen im globalisierten Markt eine wichtige Rolle spielen.
  • Sie sollen Zugang in die internationalen Märkte haben und diesen Zugang intensiv nutzen.
  • Sie sollen ihre Wettbewerbsfähigkeit - unter fairen Bedingungen - verbessern und ihren Privatsektor stärken.

In manchen Ländern konnte die Armut beträchtlich reduziert werden. Das ist eine Leistung - und die UNCTAD hat dazu einen essentiellen Beitrag geleistet. Sie ist zu einem zentralen Akteur im Bereich von Trade & Development geworden.

... und unübersehbarer Handlungsbedarf

So sehr wir die gemachten Fortschritte anerkennen und würdigen - wir alle wissen: Wir sind weit, sehr weit davon entfernt, auch nur annähernd am Ziel zu sein.

Die Kluft zwischen den Industriestaaten und den Least Developed Countries ist immer noch viel zu gross.
Und immer wieder stelle ich mir dieselben Fragen - Fragen, die sich zu Recht auch die UNCTAD immer wieder stellt:

  • Warum verharren viele Länder in bitterer Armut, obwohl sie reich an mineralischen und fossilen Rohstoffen sind?
  • Wie ist es möglich, dass 12 von 25 Ländern mit der weltweit höchsten Kindersterblichkeit rohstoffreiche afrikanische Staaten sind?
  • Warum nahm in mehreren Ländern die Armut trotz hoher Wachstumsraten dank dem Ölboom zu?

Wie kann das sein, obwohl Rohstoffvorkommen für Entwicklungsländer ein Wachstumspotenzial darstellen und damit eine Chance sind, die Armut nachhaltig zu reduzieren? Klar ist:

  • Solange der Abbau und Verkauf der Rohstoffe nicht mit fairen und transparenten Lizenzvergaben und Preisen verbunden ist,
  • solange grundlegende Umwelt- und Arbeitsstandards verletzt werden,
  • solange die Menschenrechte nicht eingehalten werden,
  • solange für Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen kein Zugang zu Gerichten in Industrieländern besteht und
  • solange grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien verletzt werden:

Solange all dies so bleibt, werden weder Trade noch Aid die Situation der breiten Bevölkerung in den eigentlich reichen, aber bis heute armen Staaten verbessern.

Und hier stehen die betroffenen Entwicklungsländer ebenso in der Pflicht wie die mit ihnen Handel treibenden Industrienationen:

Es wäre falsch, die einen gegen die anderen auszuspielen. Beide stehen vollumfänglich in der Verantwortung. Und beide müssten ein Interesse daran haben, dass sich der Gap zwischen den LDC‘s und den Industriestaaten verringert.

Denn diese enormen Unterschiede, die sowohl innerhalb von einzelnen Staaten, vor allem aber auch zwischen den Staaten herrschen, beinhalten ein grosses und für uns alle bedrohliches Konfliktpotenzial.

Als Vertreterin der Schweiz, eines Industrielandes also, das ausserdem im globalen Rohstoffhandel eine wichtige Rolle einnimmt, muss ich eingestehen, dass auch bei uns noch nicht alles zum Besten steht:

Zwar beschäftigen wir uns mittlerweile intensiv mit Transparenzpflichten: z.B. in Bezug auf Zahlungen an Regierungen, aber auch mit Sorgfaltspflichten von international tätigen Unternehmen, die ihren Sitz in unserem Land haben.

Konkrete Beschlüsse haben wir in diesen Bereichen aber noch keine gefällt.

Keine nachhaltige Entwicklung ohne Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung der Menschenrechte

Immerhin wächst aber die Einsicht, dass wirtschaftliche Entwicklung nur dann nachhaltig ist, wenn sie der ganzen Bevölkerung zu Gute kommt und nicht nur einer privilegierten Elite.

Und das wiederum ist nur möglich, wenn die Menschenrechte eingehalten werden. Die Einhaltung der Menschenrechte muss unser globaler Nenner sein:

Ich bin also überzeugt: Wenn wir von nachhaltiger Entwicklung reden, wenn wir die "Sustainable Development Goals" wirklich erreichen wollen, dann müssen wir zwingend stets auch von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit sprechen. Den UN Guiding Principles on Business and Human Rights, die hier in Genf vor 3 Jahren einstimmig verabschiedet wurden, kommt dabei eine wichtige Rolle zu.

Der Welthandel braucht auch nach 50 Jahren eine starke und aktive UNCTAD - eine UNCTAD, die sich beharrlich einsetzt für gerechten, für fairen Handel: für einen Handel also, der möglichst vielen Menschen, der möglichst allen Menschen zu Gute kommt.


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Letzte Änderung 19.01.2023

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