Strafverbüssung im Heimatstaat ohne Einverständnis der verurteilten Person - Rechtliche Grundlagen treten am 1. Oktober 2004 in Kraft

(Letzte Änderung 08.03.2023)

Bern, 17.09.2004 - Verurteilte Personen können künftig auch ohne ihr Einverständnis in ihren Heimatstaat zur Strafverbüssung überstellt werden. Das Zusatzprotokoll zum Überstellungsübereinkommen des Europarats tritt für die Schweiz am 1. Oktober 2004 in Kraft. Die erforderlichen Anpassungen des Rechtshilfegesetzes hat der Bundesrat auf den gleichen Zeitpunkt in Kraft gesetzt.

Das von der Schweiz seit 1988 angewendete Übereinkommen des Europarates über die Überstellung verurteilter Personen ermöglicht ausländischen Strafgefangenen, ihre Strafe im Heimatstaat zu verbüssen. Das Überstellungsübereinkommen dient einem humanitären Zweck und will die Wiedereingliederung von Strafgefangenen in die Gesellschaft fördern. Es kann jedoch nur angewendet werden, wenn die verurteilte Person eine Überstellung wünscht.

Ohne oder gegen den Willen der verurteilten Person

Im Interesse einer weiter gehenden internationalen Zusammenarbeit sieht das Zusatzprotokoll vor, dass auch ohne oder gegen den Willen einer verurteilten Person in zwei Fällen eine Strafvollstreckung im Heimatstaat erfolgen kann.

  • Wenn gegen die verurteilte Person im Urteilsstaat eine rechtskräftige Aus- oder Wegweisungsverfügung vorliegt, kann sie in ihren Heimatstaat zum Vollzug einer Reststrafe von mindestens sechs Monaten überstellt werden.
  • Wenn die verurteilte Person aus dem Urteilsstaat in ihren Heimatstaat flieht und sich so der Strafverbüssung zu entziehen versucht, kann der Heimatstaat stellvertretend die Strafe vollstrecken.

In beiden Fällen ist die Zustimmung des Heimatstaates erforderlich.

Rechte der verurteilten Person

Nach dem Zusatzprotokoll muss einer verurteilten Person insbesondere das rechtliche Gehör gewährt werden. In der Schweiz kann sie sich sowohl einer Überstellung an den Heimatstaat als auch einem Vollzug einer ausländischen Strafe widersetzen. Gegen das auf Antrag eines Kantons vom Bundesamt für Justiz (BJ) gestellte Überstellungsersuchen ist eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht möglich. Das Zusatzprotokoll bleibt dem Gedanken der Resozialisierung verpflichtet und bezweckt eine Wiedereingliederung im Heimatstaat, das heisst im gewohnten sozialen und kulturellen Umfeld. Gegen den Entscheid, ein ausländisches Urteil in der Schweiz zu vollstrecken, müssen die zuständigen kantonalen Behörden mindestens eine Weiterzugsmöglichkeit vorsehen.

Für den Beitritt anderer Staaten werben

Das bisher von 25 Mitgliedstaaten des Europarates ratifizierte Zusatzprotokoll dürfte in der Schweiz den Anteil ausländischer Strafgefangener reduzieren und die Strafanstalten entlasten. Zu erwarten ist auch eine abschreckende Wirkung auf kriminelle Ausländer ohne gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz ("Kriminaltouristen"). Damit möglichst zahlreiche Überstellungen vollzogen werden können, will der Bundesrat aktiv für den Beitritt anderer Staaten zum Zusatzprotokoll werben und dieses Thema an Justizministertreffen sowie Arbeits- und Staatsbesuchen zur Sprache bringen. Die Erreichung dieses Ziels setzt zudem voraus, dass nach dem Erlass von Urteilen gegen ausländische Straftäter die kantonalen Ausländer- und Migrationsbehörden rasch Aus- oder Wegweisungsentscheide fällen.


Adresse für Rückfragen

Bundesamt für Justiz, T +41 58 462 48 48


Herausgeber

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Letzte Änderung 30.01.2024

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